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Handbuch

Suchtmedizinische Versorgung

Im wesentlichen lassen sich folgende Bausteine der suchtmedizinischen Versorgung benennen:

  • Die niedergelassene Allgemeinpraxis, auch mit einem „Patientenschwerpunkt“ im Suchtbereich
  • Die Schwerpunktpraxis Substitution mit einer suchtmedizinischen Zusatzqualifizierung
  • Die suchtmedizinische Tagesklinik
  • Die psychiatrische Institutsambulanz
  • Stationäre Angebote des qualifizierten Entzugs in Allgemeinkrankenhäusern und v.a. in Zentren für Psychiatrie.

Nach den Regeln der Suchtvereinbarung sind diese Facheinrichtungen zuständig für die akutmedizinische Versorgung suchtkranker Menschen einschließlich ihrer Komorbiditäten (begleitende Erkrankungen) und für Maßnahmen der Entgiftung. „Suchtmedizin“ meint dabei die Tatsache, dass hier spezifisch qualifizierte Fachleute in meist eigenständig organisierten Institutionen suchtkranke Menschen behandeln; suchtmedizinische Angebote sind insofern sowohl Ausdruck fachlicher Qualität als auch Teil einer sozialen Separierung von Menschen mit Abhängigkeitsstörungen.

 

Das fachliche Leistungsspektrum der Suchtmedizin ist allerdings nicht präzise formuliert und abgrenzbar, sondern ergibt sich eher aus den von den Krankenkassen geschaffenen und akzeptierten Finanzierungsregelungen in diesen Einrichtungen. So ist z.B. strittig, wie viel stationäre Behandlungszeit für Maßnahmen der Motivationsförderung in einem sog. qualifizierten Entzug finanziert wird; diese Tatsache hat u.a. zur Ausbreitung der zunächst weniger teuren suchtmedizinischen Tageskliniken geführt, in denen bis zu 4-wöchige Behandlungen möglich sind.

 

Die suchtmedizinische Versorgung steht vor einer doppelten Herausforderung:

  • Einerseits gilt es, auch im Interesse der zuständigen Leistungsträger, langfristig teure Drehtüreffekte im Behandlungsangebot zu vermeiden, indem Behandlungen eben auch genutzt werden für Maßnahmen zur Änderung des Problemverhaltens.
  • Gleichzeitig macht aber gerade die Substitutionsbehandlung deutlich, dass bei einer Verengung nur auf die ärztlichen Handlungsmöglichkeiten das Risiko hoch bleibt, dass Abhängige langfristig oder dauerhaft in solchen stabilisierenden Behandlungsmaßnahmen „hängen“ bleiben, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten nicht nutzen und Kosten verursachen.

 

Insofern haben die Akteure der Suchtmedizin ein originäres Interesse, die Wirksamkeit der eigenen Behandlungsmaßnahmen zu erhöhen mit dem Ziel, teure Wiederholungsmaßnahmen zu verhindern; gleichzeitig müssen sie daran interessiert sein, die wirtschaftliche Auslastung bestehender Angebote so gut als möglich zu stabilisieren und zu sichern. Insbesondere wo Akteure der Suchtmedizin in diesem Spannungsfeld versuchen, traditionelle Arbeitsfelder der Suchtberatung zu besetzen, kann es zu Verstimmungen und Konflikten kommen, auch wenn nach aller Wahrscheinlichkeit weder bei der Suchtmedizin noch bei der Suchtberatung ein Klientenmangel entstehen dürfte.

 

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